Wer mehr besitzt, soll auch mehr zahlen, so die Idee. Bisher orientierte sich die Steuerhöhe an jahrzehntealten Grundstückswerten, von 1964 in Westdeutschland und 1935 in Ostdeutschland. Das Bundesverfassungsgericht mahnte deswegen 2018 mehr Gerechtigkeit an, die Große Koalition beschloss 2019 bundesweit neue Vorgaben.
Mehr muss man eigentlich gar nicht sagen: Wenn man graduelle Anpassungen über Jahrzehnte verzögert, dann ballern die dann nötigen Änderungen natürlich in Einzelfällen massiv rein. Natürlich sind die Grundstückswerte von 1964 oder gar 1935 völlig veraltet und keine saubere Berechnungsgrundlage. Wie immer in Deutschland: Hätte man sich regelmäßig um eine Anpassung gekümmert, wäre das über Jahrzehnte fairer gewesen, die Grundsteuer hätte ihre Steuerungswirkung auch entfalten können und die Probleme jetzt wären nicht so groß.
Im Artikel wird ja das Beispiel eines Golfplatzes erwähnt und ich hab mir das eben mal angeschaut: Dieser liegt 14 (!) Kilometer von der Münchener Frauenkirche entfernt. Gut angebunden an die Autobahn. 3km von der S-Bahn entfernt. Natürlich ist so ein Gelände erstaunlich wertvoll und natürlich ist es gesamtgesellschaftlich sicherlich besser, wenn nicht nur so ein paar Nasen dort Bälle rumschlagen, sondern vllt. doch der Platz aufgegeben wird und dort dann der dringend benötigte Wohnraum entstehen kann.
Die Reform berücksichtigt, dass sie in den vergangenen Jahren von enormen Wertsteigerungen profitiert haben.
Ja, nee. Eigentlich weniger. Zum einen können diese Grundstücke in den letzten Jahren den Besitzer gewechselt haben, da hat dann jemand bereits deutlich mehr bezahlt UND kann sich jetzt eine Vervielfachung der Steuerlast an die Backe nageln, zum anderen - hat jemand sein Grundstück einfach behalten und wohnt drauf, dann kann er diese Wertsteigerung nur realisieren, indem er alles verkauft und wegzieht. Was ist denn das für eine Annahme “Ja, die Steuern können Sie sich ja easy leisten, Sie müssen nur alles verkaufen.”
Ich kann den Frust zwar verstehen, aber was wäre denn eine bessere Lösung die Grundsteuer zu reformieren, so wie vom Verfassungsgericht gefordert? Damit Besitzende von bisher zu hoch Besteuertem entlastet werden können, erfordert eben eine Belastung an anderer Stelle.
Eine Unterscheidung zwischen selbst bewohntem Eigentum und gewerblichem wäre schon mal eine Idee, das selbe auch bei der Grunderwerbssteuer. Wenn wir wollen, dass Leute sich ein eigenes Haus leisten können, wäre es vllt sinnvoll die GES für das erste, selbst bewohnte Eigentum einfach zu streichen
Damit würden Mieter indirekt mehr zahlen.
Tun sie doch jetzt auch? Der Aufschlag verteilt sich da aber auf viele Haushalte. Bei nem Eigenheim musst du die teils erhebliche Steigerung alleine stemmen
Gewerbe kann auch ein vermietetes Einfamilienhaus sein und Eigentum auch eine Wohnung. Der Vermieter wird die Kosten auf die Mieter umgelegen und damit werden die Mieten stärker steigen als die Steuern beim Eigentum.
Wenn man ein Einfamiliehaus in einer Lage hat, wo eigentlich Mehrfamilienhäuser gebaut werden sollten, bringt die Steuer mehr Nachverdichtung. In Anbetracht der Wohnungsnot ist das sehr wünschenswert.
Das stimmt zwar, aber zumindest nach dem was ich jetzt in dem Zusammenhang recherchiert habe gibt es da sogar schon Dinge die in diese Richtung reichen (anscheinend kann man bis zu 50% abschreiben bei Eigennutzung), aber gerade eine Einkommensabhängige Möglichkeit der kompletten oder noch weiter reichenden Befreiung wäre eine gute Sache. (Damit man etwa nicht dazu genötigt wird die Heimat aufzugeben, wenn man sich das alte, selbst genutzte Familienhaus nicht mehr leisten kann o.Ä.)
Das betrifft dann aber in meinen Augen eher die Grundsteuer als Gesamtkonzept, weniger die Reform jetzt, die einfach nur das geplante Konzept auf die aktuellen Wertrealitäten angleicht. Und auch wenn ich glaube, dass Mehrkosten dort in manchen Fällen wirklich schlimm sein können/werden - ich denke doch, das ist es eher die Ausnahme, dass man auf mehreren 100k Besitz sitzt - der zwar nicht Liquide ist, aber eben doch ein Verkaufswert in unserem Wirtschaftssystem - und dann einige hundert Euro mehr im Jahr eine nicht tragbare Erhöhung der sonstigen Kosten sind. (Und das scheinen die Beträge zu sein, um die es geht - wobei natürlich auch im Artikel richtig gesagt wird: Fest stehen tut das in vielen Fällen noch gar nicht).
Einzelfälle in denen Dinge falsch bewertet wurden oder Kommunen/Länder sich tatsächlich anschicken den Prozess auszunutzen mal außen vor, da sieht der Artikel die Berichterstattung ja auch gerechtfertigt und in einer wichtigen Kontrollfunktion. Aber es fehlt eben an der Gesamtperspektive:
Da ist ja das Problem, so wie ich es verstanden habe, dass anderes Eigentum überproportional besteuert wurde, z.T. so, dass es an Mietende ganz ohne Grundbesitz abgewälzt wurde. Das wird ja auch im Artikel erwähnt: Die Erhöhungen treffen Menschen, denen wertvolles Grundeigentum gehört z.T. sehr stark (Insbesondere Ein- bis Zweifamilienhäuser mit großem Grundstück dazu), aber entlasten auch wiederum Menschen, die bisher zu stark belastet wurden (insbesondere Mehrfamilienhäuser, inklusive dem was auf Mietende abgewälzt wurde).
Die Grundsteuer sieht halt vor, dass man nach Wert des Besitzes eine Abgabe leistet, dass die Grundlage hierfür viele Jahrzehnte nicht aktualisiert wurde ist da halt ein Problem, das sich jetzt rächt. Jetzt kann man sagen, dass so eine Steuer generell nicht mehr erhoben werden sollte - okay, dann aber bitte auch mit Ergänzung, welche Steuerlast dann diese Lücke in den Kommunen auffängt, und gerne auch so, dass nicht das Verfassungsgericht direkt wieder einspringen muss, weil Besitzlose und weniger Besitzende wieder überproportional besteuert werden. Insgesamt ist das ja kein neuer, perfider Plan, sondern eines der historisch ältesten Steuerkonzepte, und wie der Artikel auch zeigt: Es fällt auf, dass sich hauptsächlich von überdurchschnittlich Vermögenden jetzt so skandaltreibend echauffiert wird.
Dass die GS (Grundsteuer) für die Kommunen eine wichtige Einnahmequelle ist, ist mir bewusst. Deswegen sprach ich ja auch die GES (GrundErwerbsSteuer) an. Die schon bei einem günstigen Haus gern mal 30k ausmacht, was dann mit Notar und Makler gern mal 50k werden. Das sind 50k die lieber Teil des Eigenkapitals sein sollten, damit auch weniger liquide Menschen das stemmen können.
Die GS ist sollte angesichts der sonstigen laufenden Kosten für ein Haus kein Problem darstellen, auch wenn manchem Besitzer die, trotz anderer Versprechungen, teils erhebliche Erhöhung nicht schmeckt
Okay, ich merke gerade heute Morgen an nem weniger gestressten Tag, dass da gestern auch Emotionen und Gedanken mitgeschwallt hatten, die eigentlich nicht bei dir und in dieser Diskussion hingehörten, sondern bei Aussagen und Artikeln die ich während dem zum Thema Recherchieren gesehen hatte, sowie generell einer miesen Stimmung und Unkonzentriertheit geschuldet waren. Ich bleibe zwar bei den grundlegenden Punkten der Aussagen selbst, aber sowohl Tonfall als auch all-over-the-place-Ranten, auch an deinem Punkt mit der GES vorbei, waren nicht ganz angemessen.
Alles gut, hat jeder von uns mal
Da sind zwei Dinge drin: Das Urteil ist ja von 2018 und die gesamte Debatte geht ja auch schon diverse Jahre. Auch in der Zeit gab es gigantische Wertsteigerungen. Hast du in dem Zeitraum gekauft ohne auf die zukünftige Grundsteuer zu schauen, tja.
Das andere: Es ist ja gerade so gewollt, dass gerade in den Ballungsgebieten die Einfamilienhäuser mit den größeren Gärten auf den Markt kommen, damit dort mehr Wohnraum entstehen kann. Ist doof für den Einzelnen, aber mit eine der wenigen Möglichkeiten, um den Wohnungsmarkt zu entlasten.
Das ist halt die Annahme, die man macht, wenn man alle Aspekte des Lebens nur durch die Brille von BWL-Justus sieht, für den einfach Alles nur eine Wertanlage ist. Widerlich.
Widerlich.
Naja,komm, das ist schon ein bisschen hart. Für die meisten Leute ist das Eigenheim eine wirtschaftlich derart schwerwiegende Sache, dass sie es eigentlich gar nicht anders als durch “die Brille von BWL-Justus” sehen können.